Im Limbo

In meinem Reiseplan waren einige Reservetage vorgesehen, da zur Zeit der Buchung nicht genau bekannt war, wann denn nun der Big Boy ab Cheyenne Wyoming fahren wird. Mein Plan war, in diesen Tagen etwas durchs Grasland von Wyoming zu fahren – durch diese endlos weite, leere und meist flache Landschaft. Mit Ruedi in 2018 zum ersten Mal erlebt. Schon in Denver war erkennbar, dass just in diesen Tagen eine Kaltfront einfahren wird – und so kam es auch: schon die Fahrt nach Norden, anfänglich noch bei schönstem Wetter, fand im Nebel und zeitweisem Schneetreiben statt. Dachte, in Casper (ca. 70‘000 Einwohner) ein paar Tage stationär zu sein und cruising Ausflüge zu machen… Aber erstens kommt es und zweitens anders als man denkt: In Casper begann es zu schneien, das Quecksilber legte sich bei grad mal 0-2 Grad zur Ruhe. So suchte ich ein Motel mit schöner Lobby, möglichst mit Cheminée. Fand ich auch und hier bin ich nun seit 2 Tagen; schon stationär aber anders als geplant. Eigenartiger Zustand: wartend auf bessere Zeiten, rumhängen in der Lobby, lesen, träumen, erleben, wie langsam die Zeit manchmal läuft. Kenne niemanden hier, bin aber nicht einsam, bloss irgendwie im Limbo. Fahre ab und zu vorsichtig (Schnee) zum Grocerie Store oder zu einem Museum, die Stadt hässlich wie vieles hier bei den Cowboys.
Reiche Geschichte in diesem Ort: der Oregon- , der Mormon- und der California-Trail sind genau hier, dem North Platte River entlang, verlaufen: hunderte, tausende von gedeckten Planwagen sind hier vorbeigekommen mit gefährlichen Flussquerungen nicht weit von hier. Gestern sehr gutes Museum besucht zum Thema. Alle auf dem Weg in ein besseres Leben, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Nun sehe ich, dass die Sonne wieder hervorkommt, der Schnee muss sich geschlagen geben und auch das Quecksilber wird erwachen. Es gibt Hoffnung, den Wartesaal verlassen zu können. Aber: so übel ist das Warten gar nicht, es gibt gutes Bier an der Bar und leckeren Cesar Salad. Morgen wieder gen Süden, vielleicht gibt es doch noch etwas Grasland zu sehen. Diese Reise ist auch eine Reise nach Innen – wie immer, wenn man irgendwo fest sitzt.
